Obituary Lieutenant-Colonel Ken Scott, Telegraph 28.2.08

Auch Brücken haben
ihr Schicksal II


Auch Brücken haben ihr Schicksal

Hermann Frank Meyer,
"Auch Brücken haben ihr Schicksal,
Zerstörung und Wiederaufbau der Asopos-Brücke in Griechenland im Sommer l943", in Thetis,
Mannheimer Beiträge zur Klassischen Archäologie und Geschichte Griechenlands und Zyperns,
4 (Mannheim, 1997).

Seit der Kapitulation des Afrikakorps am 13. Mai 1943 begann sich Hitler zunehmend Sorge um die Südflanke der "Festung Europa" zu machen. Das geniale britische Ablenkmanöver "Operation Mincemeat" veranlaßte ihn dazu, eine Landung in Südosteuropa zu erwarten. Zwei Wochen später befahl SOE-Kairo dem Chef der Britischen Militärmission (BMM) bei den Andarten, Eddie Myers, die großangelegte Diversionsoperation "Animals", welche von der alliierten Landung in Sizilien ablenken sollte.

Dutzende von Anschläge erfolgten daraufhin im Juni und Juli 1943 durch die von britischen Verbindungsoffizieren angeleiteten ELAS- und EDES-Verbände. Hitler fiel auf die List herein. Er glaubte, daß eine Invasion der Peloponnes oder des Epirus unmittelbar bevorstünde und veranlaßte die Verlegung weiterer 70.000 Truppen, um die dort stationierten italienischen Divisionen zu unterstützen.

Eingeleitet wurde das Unternehmen Animals mit wahren Paukenschlägen: Am 21. Juni wurde eine deutsche Kompanie, die 82 Lastkraftwagen von Bulgarien auf die Peloponnes überführen sollte, bei Kozani in Thessalien von ELAS-Einheiten überfallen und vernichtet. 99 Deutsche wurden getötet; die meisten von ihnen wurden allerdings nach ihrer Gefangennahme ermordet.

Am gleichen Tag gelang vier Angehörigen der Commenwealth-Armee die Sprengung eines weiteren, nur wenige Kilometer südlich von Gorgopotamos gelegenen Eisenbahnviaduktes; der 100 Meter weiten und in 80 Meter Höhe einen Gebirgsbach überspannenden Asopos-Dreigelenkbogenbrücke.

Da der Zugang zur Brücke nur durch beidseitig gelegene Tunnel im ansonsten unzugänglichen Gebirge möglich war, hatte die ELAS-Führungsspitze (Andreas Tzimas, Aris Velouchiotis, Stefanos Sarafis) eine Teilnahme an deren Erstürmung abgelehnt: Die Verluste würden zu hoch sein, argumentierten sie, zumal die Deutschen zur Bewachung der Brücke dort 50 Mann stationiert hätten. Die britischen Kommandos, die für den Anschlag speziell aus Nordafrika eingeflogen wurden, arbeiteten sich jedoch in einem kühnen Unternehmen durch den Gebirgsbach bis zur Unterkante der Brücke vor. Als ihnen das Tauwerk ausging, mit dem sie sich in den reißenden Stromschnellen abseilten, mußten sie in ihr Basislager zurückkehren. Vier Wochen verstrichen, bis Kairo neue Strickleitern abgeworfen hatte.

Unterdessen befürwortete Sarafis die Sprengung des nördlich gelegenen 510 Meter langen Eisenbahntunnels bei Kournovo (heute Nezeros). Die Briten stellten den dafür benötigten Sprengstoff zur Verfügung. Als dem ELAS-Andarten Spyros Bekios (alias "Lambros") am 1. Juni die Sprengung gelang, befand sich ein Urlauberzug im Tunnel. "200 bis 300 Italiener und 7 Deutsche", so ein Wehrmachtsbericht, verbrannten in dem Inferno. Zwei Tage später erschossen italienische Truppen 118 griechische Geiseln am Tunneleingang als sogenannte Sühnemaßnahme. Das Attentat erwies sich aus militärischer Sicht als sinnlos, denn der Tunnel war bereits nach zwei Tagen wieder befahrbar, da die Sprengladung unsachgemäß platziert worden war.

Als den alliierten Kommandos schließlich am 21. Juni die Sprengung der Asopos Brücke gelang, nahm kein Grieche an dem Unternehmen teil. Vielleicht erklärt sich daraus, daß der spektakuläre Anschlag in Griechenland nach dem Kriege kaum bekannt wurde, obwohl er zu den erfolgreichsten Sabotageunternehmungen im Zweiten Weltkrieg zählt. Über 1.000 hochspezialisierte deutsche Pioniere arbeiteten rund um die Uhr am Wiederaufbau. Dabei stürzte ein Brückensegment erneut ab und erschlug 40 Deutsche und griechische Arbeiter. Als der Viadukt schließlich am 27. August 1943 wieder für den Zugverkehr freigegeben wurde, hatten die deutschen Ingenieure eine wahre Meisterleistung erbracht, indem sie die einzelnen Segmente im Vorbauverfahren von beiden Tunnelseiten aus zusammengefügt hatten. Währenddessen stauten sich nördlich von Lamia Hunderte von Tonnen an Kriegsmaterial und Nachschub für die auf die Peloponnes verlegten deutschen Truppen. Aber die Alliierten handelten nicht konsequent und nutzten nicht die Gunst der Stunde: Die ungenügend ausgerüsteten Deutschen, denen weder LKW noch schwere Waffen zur Verfügung standen, hätten einer Invasion nichts entgegenzusetzen gehabt.

Die Zerstörung und der Wiederaufbau der Asopos-Brücke wurde ausführlich in dem Aufsatz "Auch Brücken haben ihr Schicksal" geschildert und in der Fachzeitschrift Thetis veröffentlicht.Sie kann über www.rutzen-verlag.de bezogen werden.














© H.F. Meyer 2007 |