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Nicht edel, nicht weiß - die (Un)taten der deutschen Gebirgsjäger vom Polenfeldzug bis zum Ende auf dem Balkan

In den sechziger Jahren begann Hermann Frank Meyer den Ereignissen nachzugehen, die zum Tod seines Vaters 1943 in Griechenland geführt hatten, der als deutscher Soldat von griechischen Partisanen entführt und getötet wurde. Das Thema ließ ihn nicht mehr los, aus dem Kaufmann wurde ein historisch Forschender, dem Professor Heinz A. Richter professionelles Vorgehen bestätigte. „Vermißt in Griechenland“, „Kommeno“ und „Von Wien nach Kalavryta“ sind seine wichtigsten Veröffentlichungen. Sie fußen auf umfangreichen Recherchen in Archiven und vor Ort, Interviews mit Zeitzeugen, vielen Reisen und umfangreicher Korrespondenz. Diese Korrespondenz brachte ihn dazu, sich noch einmal dem Thema zuzuwenden. Mit „Blutiges Edelweiß“, der Geschichte der 1. Gebirgs-Division im Zweiten Weltkrieg, liegt nun sein opus magnus vor.

Am Beispiel einer einzigen Wehrmachtsdivision wird deutsche Geschichte im 20.Jahrhundert nachvollziehbar, von der Gründung des „Deutschen Alpenkorps“ 1915 über die Wiedererrichtung einer Gebirgsbrigade 1935 unter den Nationalsozialisten, ihrer Erhebung zur 1.Gebirgs-Division nach dem „Anschluss“ Österreichs (Divisionsabzeichen: Edelweiß an Mütze und Ärmel), ihrer Einsätze in Polen, Frankreich, der Sowjetunion, dem Balkan und Griechenland bis zu personellen Kontinuitäten in der 1.Gebirgs-Division der Bundeswehr und des „Kameradenkreises der Gebirgstruppe“.

Insbesondere am Schicksal des Generals der Gebirgstruppen Hubert Lanz verfolgt Meyer akribisch den Werdegang eines Elitesoldaten, der im Februar 1948 wegen Kriegsverbrechen zu zwölf Jahre Haft verurteilt und im Februar 1951 nach einer Amnestie durch die US-Amerikaner wieder entlassen wurde. Er trat der FDP bei, wurde Vorsitzender des Wehrpolitischen Ausschusses seiner Partei und wurde Ehrenvorsitzender des Kameradenkreises der Gebirgstruppen. Lanz starb im Mai 1982, an seiner Beisetzung nahmen Bundeswehrgenerale und ehemalige Ritterkreuzträger teil. Der ehemalige Verteidigungsminister Leber, zu diesem Zeitpunkt schon im Ruhestand war, befürwortete die Teilnahme von Bundeswehrsoldaten in Uniform und setzte sich dafür ein.. Am Grab eines verurteilten Kriegsverbrechers!

Verurteilt wurde Lanz für das Massaker an italienischen Offizieren und Soldaten im griechischen Kefalonia im September 1943. Nach der Kapitulation Italiens waren aus Verbündeten plötzlich Kriegsgegner geworden. Viele italienische Soldaten in Griechenland wurden gefangen genommen, viele anschließend erschossen. Den Oberbefehl dafür hatte General Lanz. Gerade dieses Kapitel deutscher Militärgeschichte wird von Meyer aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Die früheren Kriegsverbrechen der Italiener in Griechenland werden ebenso wenig verschwiegen wie der merkwürdige Umgang Nachkriegsitaliens mit seiner Vergangenheit. In einem eigenen Kapitel widmet sich Meyer den Spekulationen und Manipulationen über die Zahl der italienischen Opfer. In einer Tabelle führt er dreißig unterschiedliche Quellen auf, um am Ende zu einer eigenen vorsichtigen Schätzung zu kommen. Dieser Umgang mit den Quellen zieht sich durch das ganze Buch. Immer wird darauf hingewiesen, woher die Information stammt und wie sie wahrscheinlich einzuordnen ist. Zwar zerstört auch Meyer - wie andere vor ihm - den Mythos der „sauberen Wehrmacht“. Er verschweigt aber nicht die Untaten anderer, wenn sie im Zusammenhang mit seinem Thema stehen, wie etwa das Massaker des sowjetischen NKWD an ukrainischen Nationalisten in Lemberg, dem ein ukrainisches Pogrom unter deutscher Duldung an „Kommunisten und Juden“ folgte.

Eines der furchtbarsten Massaker der Gebirgsjäger fand im griechischen Dorf Kommeno statt. Wer - wie die Rezensentin und der Rezensent - im Sommer 2006 den letzten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen dieser unfassbaren Gräueltaten gegenüber saßen, kann die von Meyer geschilderten Einzelheiten kaum ertragen. Die Ermordung von Kindern, von Babys, ist für uns Nachgeborene kaum nachvollziehbar. Um so wichtiger ist es, dass Hermann Frank Meyer wie andere als Chronist jener Ereignisse auftritt und die Ereignisse so objektiv schildert, wie das nur möglich ist, ohne jemals den eigenen Standpunkt zu verleugnen.

Es finden sich viele andere Themen bei Meyer, die für Interessierte viel Wissenswertes transportieren. Als Beispiel sei das Verhältnis der griechischen Partisanenorganisationen EDAS und ELES untereinander, zu den Deutschen wie zu den Alliierten genannt. Der griechische Bürgerkrieg nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird aus dieser Sicht für uns verständlicher.

Wer sich in der internationalen Bildungsarbeit mit Griechenland und/oder dem Balkan beschäftigt, wer an der Aufarbeitung der dunkelsten Vergangenheit Deutschlands interessiert ist und wer sich aktuell mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr befasst, der oder die sollte sich auf Meyers „Blutiges Edelweiß“ einlassen, auch wenn es nicht immer leicht fällt. Es ist geschehen und es kann wieder geschehen, aber wir sind verantwortlich dafür, dass es nicht wieder geschieht.

Jutta Richter/Jörg Höhfeld






© H.F. Meyer 2007 |