Auch Brücken haben
ihr Schicksal


Inhaltsverzeichnis

Hermann Frank Meyer
"Auch Brücken haben ihr Schicksal"
Zerstörung und Wiederaufbau der Asopos-Brücke -
Griechenland im Sommer l943


a. Operation "Washing"
b. Die Sprengung des Kournovon-Nezeros Tunnels im Rahmen der Operationen "Animals" und "Washing"

c. The job's in the bag
d. Hitlers Reaktionen und Churchills fröhliches Kichern

a. Operation "Washing"
Nachdem deutsche und italienische Truppen 1941 Griechenland besetzt hatten, war Oberst Edmund "Eddie" Myers zusammen mit elf britischen Armeeangehörigen im Oktober l942 von der in Kairo beheimateten Zentrale für subversive Kriegsführung "SOE" (1) per Fallschirm in Zentralgriechenland abgesetzt worden. Die zwölf Freiwilligen waren beauftragt, wenigstens eine der drei großen Eisenbahnbrücken im östlichen Roumeli zu sprengen, um Nachschublieferungen für Rommels Nordafrikafeldzug, der über diesen für die Achsenmächte "lebenswichtigen" Schienenstrang lief, nachhaltig zu unterbinden.

Nach sechswöchigem, entbehrungsreichem Herumirren in den griechischen Bergen, ständig auf der Flucht vor italienischen Spähtrupps, gelang es den zwölf Briten zusammen mit 150 griechischen Partisanen unter Führung der beiden Antagonisten, dem Kommunisten Aris Velouchiotis und dem Republikaner Napoleon Zervas, in der Nacht vom 25. auf den 26. November 1942 das 220 Meter lange Gorgopotamos-Viadukt zu zerstören

Unmittelbar nach dem Anschlag begann die deutsche Eisenbahnbaukompanie (EBK) 117 mit dem Wiederaufbau der Brücke, so daß sie am 5. Januar 1943 wieder in Betrieb genommen werden konnte. In der Zwischenzeit erfolgte der Transport unter größten Schwierigkeiten zeitraubend über den Seehafen Stylis. Wichtigste Güter wurden mit Maultieren über den Brallos-Pass geschleppt(2). Der damit beauftragte deutsche "Admiral Ägäis" war derartig gefordert, daß er am 17. Dezember 1942 vorschlug, "den Bau einer Umgehungsbahn unter Vermeidung der Thermopylen vorzunehmen"(3). Wahrlich ein wahnwitziges und langwieriges Unternehmen, das Unsummen verschlungen hätte. Es ist nie in Angriff genommen worden, da sich die Ereignisse überschlagen und die deutsche Besatzungsmacht in die Defensive gedrängt werden sollte. Tatsächlich zog die Meldung über die Zerstörung der Gorgopotamos-Brücke wie ein Fanal durch das geknechtete Land. Spontan gingen junge Menschen und ehemalige Angehörige der griechischen Armee in die Berge, um sich den "Andarten", den Freiheitskämpfern, anzuschließen.

Da es SOE Kairo nicht gelang, ihre zwölf Männer nach erfolgreichem Anschlag wieder außer Landes zu schleusen, suchten diese Zuflucht bei den Partisanen. Aus den britischen Freiwilligen wurden Verbindungsoffiziere, die die Andarten im Kriegshandwerk schulten. Waffen und Gerät wurden per Funk von Kairo angefordert. Binnen weniger Wochen gelang es Myers, mit Aris Velouchiotis und Napoleon Zervas schlagkräftige Partisaneneinheiten aufzustellen und rudimentär auszurüsten. Sie sollten, wie sich später zeigte, den deutschen und italienischen Besatzern immer mehr Ärger bereiten. Ein schrecklicher, aus dem Hinterhalt erfolgender Partisanenkampf der Griechen gegen die deutsche Besatzungsmacht war die Folge. Er führte schließ-lich zur Bindung von rund 250.000 deutschen Soldaten auf griechischem Boden, die Hitler lieber an der Ostfront eingesetzt hätte.

Hitlers Wut über die Zerstörung des Viaduktes äußerte sich in schweren Vorwürfen gegenüber seinem Achsenpartner Mussolini. Besonders die laxe Handhabung der Bewachung wurde moniert, zumal es genügend Anzeichen für einen möglichen Anschlag gegeben hatte. Sofort erklärten sich Hitlers Waffenbrüder dazu bereit, dem deutschen Militär die selbstmörderische Bewachung der zentralgriechischen Bahnstrecke zu überlassen. Bereits am 8. Dezember l942 wurde in Lamia ein entsprechendes Abkommen zwischen der italienischen und deutschen Generalität unterzeichnet, und sogleich übernahmen deutsche Truppen die Bewachung der Gebirgsstrecke von Saloniki bis Gravia(4).

Eddie Myers war nach der erfolgreichen Zerstörung der Gorgopotamos Brücke zum Brigadier befördert worden. Nachdem er seine Männer als Verbindungsoffziere nach Regionen aufgeteilt und den unterschiedlichen Widerstandsgruppen zugeteilt hatte, plante er Anfang 1943 einen weiteren spektakulären Coup. Schon Anfang November 1942 hatte er das Asopos-Viadukt ausgespäht, das nur wenige Kilometer südlich vom Gorgopotamos einen Gebirgsfluß überspannt. Doch dann hatte er von einem Anschlag auf den Asopos-Viadukt aufgrund dessen unzugänglicher Lage und den begrenzten Sprengstoffvorräten, die ihm zur Verfügung standen, Abstand genommen. Als er jedoch Mitte Februar 1943 hörte, daß die Gorgopotamos-Brücke bereits Anfang Januar wieder in Betrieb genommen worden war, entschloß er sich, einen erneuten Angriff auf eines der drei großen Viadukte zu wagen, "whilst they were still guarded by low category Italians; for I knew that our chances for success once the Germans had taken over were much more slender", so der Brigadier(5). Offensichtlich wußte Myers zu diesem Zeitpunkt noch nicht, daß die Brücken bereits seit Dezember 1942 von deutschen und nicht mehr von italienischen Truppen bewacht wurden.

Asopos liegt zwischen Athen und Saloniki auf Kilometer 202,375. Nachdem die Bahn Saloniki verlassen hat, klettert sie zwischen Olymp und Ossa zum Tempi- Paß hoch, um dann in die thessalische Ebene hinunterzufahren. Über spärlich bewachsene Berge mit flachen Kuppen zieht sie dann über Domokos in vielen Serpentinen den Phurka-Paß hoch, bis sie die im Sperchios-Tal liegende Provinzhauptstadt Lamia mit ihrem Bahnhof Lianokladi erreicht, wo eine kurze Stichbahn abzweigt, die zum Ägäishafen Stylis führt.

Das nun folgende Stück wird wohl zu Recht zu einer der schönsten Gebirgsbahnstrecken Europas gezählt. Zur Bewältigung der kommenden schweren Steigungen mußte in Lianokladi eine Schiebelokomotive an den Zug angekoppelt werden, damit er um den sich wie eine Mauer, ohne Vorgebirge, aus dem Tal erhebenden Fels erklimmen konnte. Die Strecke beginnt in stetiger Gleichmäßigkeit zu steigen. In kurzer Folge reiht sich Kunstbau an Kunstbau. Erst sind es kleine Durchlässe und Brücken über flache Einschnitte mit niedrigen Stützmauern. Doch dann überrollt die Bahn das über 220 Meter lange Gorgopotamos-Viadukt und der Schienenstrang läuft in endlosen Kurven an einer scharfen Felswand entlang. Unwillkürlich wird der Passagier an dieser Stelle an das Modell eines aufgeschnittenen Bergwerks erinnert, denn an der sich senkrecht erhebenden Felswand zeichnet sich die Strecke scharf durch die vielen Brücken, Bogengalerien, Stützmauern und ausgesprengten Ein-schnitte ab. Bevor das gewaltige Bild überhaupt verinnerlicht werden kann, durcheilt man schon den ersten Tunnel, rauscht in den nächsten, und so geht es über zehn Kilometer weiter. In den kurzen Abständen zwischen den Tunneln weiß das Auge nicht, wohin es blicken soll, zur Rechten auf die steilen Klippen, oder zur Linken hinaus aufs Sperchios-Tal und die dahinterliegende blaue Ägäis. Kleinere Gruppen von Pinien- und Zypressenhainen fallen ins Auge. Einsam liegende Gehöfte und Ka-ten mit flachen natursteinbedeckten Dächern, eine Kapelle und ein kühn geschwun-genes Steinbrückchen ziehen vorbei. Schließlich verläuft die Strecke nur noch in karger Gebirgslandschaft, umrahmt von zerklüfteten, kahlen Felsen, bis es plötzlich wieder in den Berg hineingeht und ein 125 Meter langer Tunnel durchfahren wird, an den sich drei Gitterträgerüberbauten mit je 60 Metern Spannweite auf rund 20 Meter hohen Natursteinpfeilern reihen, gefolgt von einer elegant konstruierten, 100 Meter weit gespannten Dreigelenkbogenbrücke, die in 80 Meter Höhe den tosenden Asopos-Gebirgsbach überspannt. Das technische Meisterwerk war im letzten Jahrhundert von französischen Ingenieuren erbaut worden.

Da der Zugang zur Brücke nur über die in den Fels vorgetriebenen südlichen und nördlichen Tunnel möglich ist, die jedoch während der Kriegsjahre streng bewacht waren, galt die Brücke als uneinnehmbar.

Eddie Myers hatte den Neuseeländer Arthur Edmonds, der sich während der Gorgopotamos-Operation als unbedingt zuverlässiger und loyaler Kamerad erwiesen hatte, mit der schwierigen Aufgabe bedacht, als Verbindungsoffizier zum unberechenbaren ELAS(6)- Kapetanios Aris Velouchiotis zu agieren. Zudem war er beauftragt worden, mit Aris auszuloten, ob nicht doch eine Möglichkeit bestünde, das Asopos-Viadukt zu sprengen.

Edmonds schlug am 7. März 1943 mit seinem Funker Dick Jones in Griechenlands höchstgelegenem Gebirgsdorf Anatoli auf 2.100 Meter Höhe sein Camp auf. Die Ortschaft befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum ELAS- Hauptquartier, das Aris Velouchiotis in dem Nachbardorf Kolokythia und einer für Fallschirmabwürfe ideal geeigneten Hochebene, errichtet hatte. Vor feindlichen Spähtrupps war Edmonds ebenso optimal geschützt wie die nachbarlichen ELAS- Andarten, denn weder italienische noch deutsche Landser sollten während des Krieges je Fuß in diese abgelegen Bergnester setzen. In konstanter Ermangelung ausreichender Kräfte konzentrierte sich die deutsche Besatzungsmacht lediglich auf den Betrieb von Bahnhöfen, "Wehrwirtschaftsbetrieben" und die Bewachung strategisch wichtiger Bauten, die wie auf einem Präsentierteller immer wieder ein leichtes Ziel für Andarten-Überfälle waren. In klassischer Partisanenmanier zogen sich die Freiheitskämpfer in die Berge zurück, bevor es zu einer Reaktion der deutschen Führung kommen konnte.

Da es unmöglich erschien, vom westlichen oder östlichen Flußtal her an die Brücke zu gelangen, liefen Edmonds' und Myers' ursprüngliche Planungen darauf hinaus, die Brückenwache frontal durch die Tunnel anzugreifen(7). Andarten sollten einen Nachtzug bei Lamia kapern, ihn an die Brücke heranfahren und die Wache überwältigen, um auf diese Weise britischen Spezialisten den Weg freizumachen und zu ermöglichen, die Brücke zu sprengen.

Doch Edmonds änderte seine Meinung im April, nachdem er herausgefunden hatte, daß deutsche Truppen in unmittelbarer Nähe des Tunnels stationiert waren. Nun setzte er auf die von Aris Velouchiotis bevorzugte Alternative, die Brückenwache, die man auf 50 Mann einschätzte, gleichzeitig von beiden Tunnelseiten aus mit einer Übermacht von Andarten anzugreifen. Aris versprach, so Myers, "to provide a thousand Andartes"(8).

SOE-Kairo hatte mittlerweile drei weitere freiwillige "commando officers", Pat Wingate, Harry McIntyre und Ken Scott, im Fallschirmspringen und Umgang mit Sprengstoff geschult und sie in der Nacht vom 11. Mai 1943 auf dem Hochplateau bei Kolokythia abgesetzt. Hinzustießen der junge Brite Geoffrey Gordon-Creed, ein Hüne von Gestalt, dem das Military Cross (M.C.) verliehen wurde, nachdem er kamikazehaft hinter der nordafrikanischen Feindfront mehrere Flugzeuge auf einem deutschen Flugplatz zerstört hatte, und der Neuseeländer Don Stott, der als Kriegsgefangener und ehemaliger Stabhochspringer bei Tageslicht den Stacheldrahtverhau eines deutschen Kriegsgefangenenlagers übersprungen hatte und unverletzt entkommen war.

Brigadier Eddie Myers traf nur einen Tag später als diese Männer in Edmonds' Camp in Anatoli ein. Gemeinsam mit Aris Velouchiotis machte er sich sofort auf den Weg, um die Brücke auszuspähen. Doch in der letzten Nacht, kurz bevor die beiden die Asopos-Brücke erreicht hatten, erschien ein ELAS-Bote in Myers' Lager, weckte ihn gegen Mitternacht, und ließ ihn wissen, daß Andreas Tzimas (EAM(9)-Repräsentant im Hauptquartier des ELAS) und Stefanos Sarafis (ehemaliger General der griechischen Armee) soeben aus Athen in ihr Hauptquartier Kolokythia zurückgekommen seien, und daß Aris sich dort auf schnellstem Wege einzufinden hätte. Sarafis sei vom Zentralkommitee der EAM in Athen zum Oberbefehlshaber aller ELAS-Andarten bestellt worden, und jede wichtige Entscheidung müsse nunmehr gemeinsam von Tzimas, Sarafis und Aris gefällt werden. Dem Kapetanios Aris blieb nichts anderes übrig, als den Rückmarsch anzutreten, so sehr Myers ihn auch bekniete, erst noch schnell einen Blick auf das nur wenige Marschstunden entfernte Ziel zu werfen. Doch Aris war nicht zu erweichen. Myers blieb schließlich nichts anderes übrig, als Aris zu folgen, um nun seine Pläne dem neugebildeten Triumvirat vorzutragen.

Zu dem Treffen mit Andreas Tzimas und Stefanos Sarafis kam es am 19. Mai. Der "Politikos" Tzimas lehnte den Einsatz von ELAS- Einheiten für die Erstürmung der Asopos-Brücke schlichtweg ab. Ihm schien das Unternehmen zu gefährlich. "He could not accept the responsibility for the casualties to andartes which might result if the operation were undertaken and, in view of the element of high risk, he could not approve of the operation," schrieb Myers später(10). Sarafis, der "Strategos", schloß sich der Meinung Tzimas' an. Die Operation sei "militärisch unsinnig"(11), konstatierte er und begründete nach dem Kriege seine Position: "I explained that this operation was impossible...An operation of this sort, mounted against German positions which were fortified with concrete artillery and machine-gun emplacements and protected by barbed wire, searchlights and ambushes, could have no hope of success unless at least 1500 men were available with artillery and machine-guns - and ELAS did not possess such resources (…). Moreover, reinforcements would come up from nearby garrisons long before we had time to blow up the bridge(12)."

Hingegen schlug Sarafis vor, den nördlich von Lamia bei Kournovon gelegenen 510 Meter langen Eisenbahntunnel zu sprengen, am besten wenn sich gerade ein Zug darin befände. Seine Leute wären dazu bereit, wenn sie den dafür benötigten Sprengstoff bekämen. Obwohl Myers argumentierte, daß die Deutschen diesen Tunnel bereits nach wenigen Tagen wieder freigelegt haben würden, während für den Wiederaufbau der Asopos-Brücke "viele Monate" ins Land ziehen würden, gab er Edmonds Anweisung, ELAS den gewünschten Sprengstoff zur Verfügung zu stellen.

Nun, nachdem Myers klar geworden war, daß die ELAS-Führung ihm keine Unterstützung bei der riskanten Erstürmung der Asopos-Brücke gewähren würde, brach er das Gespräch wütend ab: "I don't need ELAS anymore (…). We will damned well do it on our own(13)."

Anstatt das Viadukt mit 1.000 oder 1.500 Mann frontal anzugreifen, entschlossen sich Myers und Edmonds wenige Tage später, den Versuch zu wagen, mit den kürzlich eingeflogenen hochspezialisierten Offizieren durch die westliche Asopos-Schlucht "somehow" an das Brückengerüst heranzukommen. "Die alleinige Möglichkeit besteht in einem Überraschungsangriff, indem wir dem Fluß durch die Schlucht folgen", argumentierte Edmonds. "Einheimische Griechen sagen uns zwar, daß das unmöglich sei, aber in der Überwindung dieser Hindernisse und dem damit verbunden Überraschungseffekt besteht unsere alleinige Chance." Vermutlich würde die westliche Schluchtseite nicht bewacht sein, da die Wachmannschaft sie sicher ebenfalls als unzugänglich ansieht. "Das Unmögliche möglich zu machen", sagt Arthur Edmonds, "darin sahen wir unsere alleinige Chance, das Unternehmen zum erfolgreichen Abschluß zu bringen(14)."

Bereits eine Stunde nachdem Myers entschieden hatte, diese Möglichkeit auszuloten, brachen Gordon-Creed und Stott mit dem griechischen Führer George Karadjopoulos zu einem ersten Erkundungsgang auf. Als sie in der folgenden Nacht zurückkehrten, berichteten sie zwar, daß nun Deutsche anstatt Italiener die Wachmannschaft stellten, aber es schien, daß die Hindernisse in der Schlucht nicht unüberwindbar seien. Das größte Problem schien ein etwa 20 Meter senkrecht abfallender Wasserfall zu sein. Wenn es jedoch gelänge, diesen zu umgehen, dann bestünde eine gute Möglichkeit, unentdeckt an das Brückengerüst heranzukommen.

Am 21. Mai 1943 kehrten Gordon-Creed und Stott mit den Sprengmeistern Scott, Wingate und McIntyre nebst zwei weiteren Freiwilligen und dem Griechen George Karadjopoulos in die Schlucht zurück. Außer Holzknüppeln trugen sie keine Waffen. Myers war sich bewußt, daß, falls sie entdeckt würden, seine Männer bestenfalls als Kriegsgefangene überleben würden. Immerhin trugen sie britische Uniformen. Eine Fluchtmöglichkeit bestand nicht. Für den griechischen Freiwilligen Karadjopoulos würde seine Gefangennahme, da er den britischen Streitkräften nicht angehörte, den sicheren Tod bedeuten.

Gordon-Creed, der den nom-de-guerre "Faith" angenommen hatte, führte die Gruppe an. Für die Überwindung der Wasserfälle und das Einsteigen in die Schlucht hatten sie ein etwa 100 Meter langes Tau mitgebracht, das sie aus Fallschirmseilen zusammengeflochten hatten, dick genug, um sich beim Abgleiten nicht die Hände zu verbrennen. Ihnen stand ein langer Marsch bevor. Erst am nächsten Tag erreichten sie den Eingang zur nur wenige Meter breiten Schlucht. In Kaskaden stürzte der Gebirgsfluß hinunter, eingebettet in steil aufsteigende, über 300 Meter hohe Felswände, die nie einen Sonnenstrahl in die enge Klamm gelangen lassen. Stott führte die Gruppe zum ersten Wasserfall, dessen Seitenwände über die Jahrtausende blank geschliffen waren wie Glas. Erschöpft rasteten die Männer nach dem stundenlangen Marsch durch das eiskalte Gebirgswasser und schienen zu verzagen, wenn sie sich ausmalten, wie sie ihre schweren Lasten durch diese Hölle schleppen sollten. "Den ganzen Tag wateten wir in dem Gebirgsfluß. In den Tümpeln stand uns das Wasser zeitweilig bis zum Hals. Wenn es unmöglich war weiterzumarschieren, dann schwammen wir durch die reißende Strömung, wobei wir den kostbaren Sprengstoff auf dem Kopf balancieren mußten(15)", erinnert sich Ken Scott, der als Schotte den Tarnnamen "Kilt" angenommen hatte.

Am 23. Mai erkletterten Gordon-Creed und Stott die Nordseite der Felswand, um eine Vorstellung darüber zu gewinnen, wieviel an Wegstrecke noch vor ihnen lag, während in der Schlucht Vorbereitungen getroffen wurden, sich im ersten Katarakt abzuseilen. Es dauerte einen geschlagenen Tag, bis es endlich gelang, diesen Wasserfall zu meistern und den Sprengstoff an Fallschirmleinen abzuseilen. Auch am nächsten Tag machten sie kaum Fortschritte, da plötzlich unvermutet ein zweiter Wasserfall vor ihnen auftauchte. Der umsichtige Gordon-Creed entschied daraufhin, seinen erschöpften und grantelnden Männern einen Rasttag zu gönnen, damit sie ihre vielen Schürfwunden versorgen konnten, während der unermüdliche Stott (mit dem treffenden nom-de-guerre "Weasel") wiederum die nördliche Felsterrasse erklomm, um die Gegend auszuspähen. Erst am nächsten Tage kehrte er zurück und bestätigte die Vermutung der Männer, daß sich noch mindestens ein dritter Wasserfall vor ihnen befinden würde.

Dieser letzte Katarakt vor dem Viadukt sollte sich als unüberwindlich erweisen. Die Wassermassen stürzten hier aus einer Höhe von etwa 15 Metern senkrecht in die nur fünf Meter breite Klamm. Ein seitliches Begehen war ausgeschlossen, da die steilen Felswände weichgeschmirgelt waren wie Schmierseife. Und da sie kaum noch Fallschirmseile besaßen, wurde schließlich der ernüchternde Entschluß gefaßt, das Unternehmen abzubrechen und nach Anatoli in Edmonds' Lager zurückzukehren. Trotz Stotts unermüdlicher Klettertouren auf das Plateau und in der Steilwand hatte er das Eisenbahnviadukt noch nicht zu sehen bekommen, aber immerhin war er sich nach seinen ausschweifenden Ausflügen sicher, daß sie nun mindestens zwei Drittel der Wegstrecke hinter sich gebracht haben müßten.

b.Die Sprengung des Kournovon-Nezeros Tunnels im Rahmen der Operationen "Animals" und "Washing"
Eddie Myers und Arthur Edmonds waren in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben. Edmonds verhandelte im Auftrag von Myers mit den ELAS-Andarten Vassiliadis und schließlich dessen Adjudanten Spiros Bekios alias "Lambros" über die Menge Sprengstoff, die für die von Sarafis vorgeschlagene Sprengung des Kournovon-Nezeros Tunnels benötigt werde. "He submitted staggering figures - three tons of explosives, thousands of feet of explosive-fuse, large quanteties of accessories and such a quantety fo safety-fuse as could scarcely exist in the whole of the Middle East", erinnert sich Arthur Edmonds. "I went through this list showing him how he couldn't possibly need such quanteties and reducing his figures drastically. Eventually we cut it down to a load that could be carried on a Liberator(16)." (17)

Bereits vier Tage später, am 24. Mai, befand sich diese gewaltige Sprengstofflieferung in den Händen der Andarten. Anstatt die Sprengladungen in vorgebohrten Sprenglöchern anzubringen, um diesen längsten Tunnel Griechenlands gründlich zu zerstören, wurden sie von Lambros so platziert, daß sie lediglich die Ein- und Ausgänge des Tunnels beschädigten. Am 1. Juni ließ er die Ladungen just in jenem Moment hochgehen, als sich ein Wehrmachtstransporter auf der Durchfahrt befand, der hauptsächlich mit italienischen Urlaubern besetzt war.

Edmonds erinnert sich: "Unfortunately, none of our party were able to act as observers and the first report was that the operation had been a great success. Nine hundred German troops had been trapped and burned to death in the tunnel, and the line would probably be closed for four to five weeks. This news was blazoned throughout the countryside.(18)"

Aris Velouchiotis schaukelte die Zahl noch höher. 1.300 Deutsche seien umgekommen, 350 verwundet. Und obwohl er wußte, daß es sich um Italiener handelte, wurden diese kurzerhand in Anbetracht der britischen Vorliebe für deutsche Opfer zu Deutschen "aufgewertet"(19).

Der deutsche Wehrmachtsberichterstatter meldete im Juni 43 Zahlen, die der Wahrheit vermutlich am nächsten kommen: "Die Wagen brannten, im Zug befindliche Munition explodierte, starke Rauchentwicklung und fortgesetzte Detonationen erschwerten das Rettungswerk. Etwa 100 Reisende kamen unverletzt davon, während 200 bis 300 italienische Soldaten und sieben Deutsche im Tunnel verbrannten(20)."

Daß auch mindestens 50 Griechen in dem Inferno umkamen, wurde vom Wehrmachtsberichterstatter nicht erwähnt. Nach den vielen Anschlägen auf die Bahn waren die Besatzungstruppen inzwischen dazu übergegangen, griechische Geiseln in einem Waggon, der üblicherweise vor die Lokomotive gekoppelt wurde, "mitfahren" zu lassen in der Hoffnung, daß Andarten dann von Anschlägen absehen würden.

Nach OKW (21) Bericht vom 3. Juni wurden als Rachemaßnahme "100 Kommunisten zur Sühne erschossen". Tatsächlich waren es 118 unschuldige Griechen, die die italienische Besatzungsmacht wahllos in einem Konzentrationslager bei Larissa selektionierte und am Tunneleingang, wo Lambros seine Sprengladung gezündet hatte, reihenweise erschoß. Gemäß Sarafis gehörte die Mehrheit der Geiseln der kommunistischen EAM Organisation an (22) .

Doch was den militärischen Nutzen des Anschlags anbetrifft, so war dieser gleich Null. Die Bahnstrecke war bereits nach 50 Stunden wieder betriebsbereit. Eddie Myers geht mit keinem Wort in seinen Memoiren auf dieses vollkommen sinnlose Attentat ein. Edmonds stellte Lambros zur Rede und erfuhr, "that they had set off with explosives that amounted to about a quarter of what we had handed Vassiliadis (23)". Lambros, heute unter dem bürglichen Namen Spiros Bekios in Athen lebend, behauptet immerhin, daß er die Sprengladungen "fachgerecht" angebracht hätte und ist immer noch stolz darauf, sie just in jenem Moment gezündet zu haben, als sich der Wehrmachtstransporter im Tunnel befand. Immer wieder will er wissen, "wieviele Menschen nun tatsächlich in dem Inferno draufgegangen seien (24)". Und Eddie Myers hätte sich fast ins eigene Bein geschossen als er die gewaltige Sprengstofflieferung autorisierte, denn er vermutete Monate später, als der Bürgerkrieg bereits ausgebrochen war und seine Männer gegen ELAS kämpften, "daß der Rest Sprengstoff zur Verwendung gelangte, als das ELAS 1944 versuchte, britische Offiziere im Britischen Hauptquartier im Grande Bretagne Hotel in Athen in die Luft zu jagen (25)".

Aber dieser Terroranschlag auf den Kournovon-Nezeros Tunnel paßte perfekt in Eddie Myers' Planungen, denn er hatte am 29. Mai ein "historic signal" aus Kairo erhalten, welches höchstpersönlich nur an ihn addressiert war, und das er augenblicklich nach Lesung zu zerstören hatte: "In the second week of July, I was informed, Sicily would be invaded by the Allies. Commencing in the last week of June, we were therefore instructed to begin widespread sabotage throughout Greece, in order to lead the enemy to believe that this part of the Mediterranean was threatened with invasion (26)."

Pausenlose Sabotageakte sollten also unverzüglich gegen sämtliche Kommunikationslinien der Besatzungstruppen erfolgen, um den Eindruck zu erwecken, daß die allgemein erwartete Invasion der alliierten Nordafrikaverbände in Griechenland und nicht in Sizilien stattfinden würde. Und da der von Myers erhoffte verkehrstechnische Schaden an dem Eisenbahntunnel in keiner Weise seinen Erwartungen entsprach - immerhin hatte Sarafis ihm versprochen, daß der Tunnel "für viele Monate (27)" außer Betrieb sein würde - befahl er nun Edmonds, alle Kräfte zu bündeln, um einen erneuten Anlauf zur Zerstörung der Asopos-Brücke zu untermehmen: "Make plans for cutting enemy road, rail and telephone communications in as many places as posible throughout the area. Operation to be known as "Animals" and to start June 20 (28)."
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c. "The job's in the bag"
"Bevor sie den Rückmarsch antraten, haben Geoff und seine Männer den Sprengstoff in einer halbwegs trockenen Ecke auf einer Kiesbank gebunkert", erzählt Arthur Edmonds, heute ein pensionierter Farmer in Neuseeland. "Als sie in meinem Hauptquartier eintrafen, konnte ich mir mehr oder weniger ein Bild von den unsäglichen Plagen machen, unter denen sie gelitten haben mußten. Ihre Knie waren aufgeschürft, am ganzen Körper trugen sie Verletzungen und Prellungen, ihre Kleidung war zerschlissen, und jeder sah ausgepumpt, ja vollkommen erschöpft aus (29)."

Doch an Aufgeben dachte keiner. Sie mußten nur das richtige Material haben, um ihre Mission zum Erfolg zu bringen. Gefahr, daß das Unternehmen auffliegen könne, bestand paraxoderweise nur von Seiten der einheimischen Bevölkerung, die berechtigterweise um ihr Leben fürchtete, denn sie würde mit Sicherheit als erste unter den entsetzlichen "Sühnemaßnahmen" zu leiden haben. So hatten die Bewohner des Dorfes Gardikaki aus der Gerüchteküche vernommen, daß ein Angriff auf das nahegelegene Viadukt bevorstand. Eine Abordnung von Würdenträgern erschien daraufhin bei Aris und bat ihn, er möge die Engländer, "die auf uns keine Rücksicht nehmen", an der Ausführung hindern, andernfalls würden sie die Deutschen benachrichtigen. Trotz der "Nichtbeteiligung" des ELAS drohte Aris, im Falle eines Verrats werde er nicht nur - wie die Besatzer - das Dorf anzünden, sondern "keinen Stein auf dem anderen lassen". Aris Drohung wirkte: Das Projekt wurde den Deutschen nicht verraten (30).

Da keine weiteren Fallschirmleinen vorhanden waren, wurden über Funk von Kairo Taue, wasserdichte Rucksäcke und Werkzeuge angefordert. Nachdem dieser Wunsch gegen Mitte Juni erfüllt worden war, kehrten Don Stott und zwei Helfer mit prall gefüllten Rucksäcken zurück in die Schlucht. Aus Fallschirmleinen hatten Ken Scott und Harry MacIntyre eine Strickleiter geflochten. Nun gehörten auch Äxte, Sägen und Steigeisen zur Ausrüstung. Sie planten, eine große Kiefer zu fällen, die in unmittelbarer Nähe des dritten Kataraktes wuchs, um den Stamm als Steigleiter zu nutzen.

Bereits zwei Tage später erhielt Edmonds durch einen Boten einen "jubilant report" von Don Stott. "I got down the big waterfall, found it was the last and suddenly when I rounded the bend I came face to face with 'Mrs. Washing' herself. There was a lot of activity going on and workmen were swarming over the viaduct strengthening it to carry heavier loads and making a deuce of a din, rivetting I think. They have scaffolding erected all over it and ladders leading up from the bottom (…). The workmen come down from the railway line by some steps cut in the north cliff side, and we should be able to get up this way. Please send Geoff, Scotty and Mac immediately. The job's in the bag (…). (31) "

Am 19. Juni trafen Geoffrey Gordon-Creed, Ken Scott und Harry McIntyre wieder mit Don Stott in der Schlucht zusammen. Stott und seinen zwei Helfern, Mutch, einem Neuseeländer, und Khouri, einem Palästinenser, war es bereits gelungen, den Baum zu fällen, seine Äste zu kürzen und den Stamm in den Wasserfall zu hieven. Bereits am Morgen des nächsten Tages gelang es den sechs Männern, den Sprengstoff dieses letzte Hindernis hinunterzuschleppen. "Ich werde nie vergessen, wie ich nach Luft schnappen mußte in dieser unaufhörlichen Eiswasserdusche", erinnert sich Ken Scott, heute ein rüstiger Rentner nach einer erfolgreichen Karriere als Bau-unternehmer im beschaulichen Brockenhurst in Südengland. "Es war einfach schrecklich, und ich hatte Angst, ersticken zu müssen. Aber es gelang schließlich, die heillos zerfledderten Sprengstoffbehälter auf eine trockene Kiesbank zu schleppen. Das Material war naß und beschädigt, so daß Harry und ich es erst einmal trockneten und die vier Hauptsprengladungen auf ihren Halterungen neu befestigten. Zwischenzeitlich machten sich Gordon-Creed und Don Stott auf den Weg, um das Viadukt noch einmal auszukundschaften (32) ."

Was Stott in den vorherigen Tagen ermittelt hatte, sollte sich bewahrheiten. Die Sechs hatten das Glück des Tüchtigen. Leitern befanden sich immer noch am Gerüst, und selbst die Stacheldrahtverhaue, die normalerweise den Pfad von der Brücke zum Fluß versperrt hatten, waren säuberlich weggeräumt. "Wir beschlossen, den Vollmond in der kommenden Nacht für den Angriff zu nutzen und schleppten noch bei Tageslicht unsere Sprengladungen bis zum letzten Felsvorsprung. Als ich dahinter hervorlugte, sah ich die majestätische Brücke zum ersten Mal. Es war ein unglaublich beeindruckender Anblick, die lange Brücke fast hundert Meter über sich schweben zu sehen", erinnert sich fast wehmütig Ken Scott, und als Ingenieur bedauerte er in diesem Moment, dieses "magnificent piece of engineering" nun zerstören zu müssen.

In der Dunkelheit, als das diffuse Mondlicht die Tiefe der Schlucht kaum erreichte und gespenstisch den Gitterbau beschien, wagten die Sechs sich aus ihrem Versteck und schleppten die gebündelten Ladungen durch die säuberlich zur Seite geräumten Stacheldrahtverhaue zum nördlichen Pfeilerfundament. Während Stott die Sprengladungen an der Leiter deponierte, kletterten Scott und McIntyre bereits in dem Holzgerüst, um die geeignetsten Stellen für das Anbringen der Sprengladungen auszusuchen. Der deutsche Bautrupp hatte zusätzliche Holzgerüste aufgestellt, um Ausbesserungsarbeiten durchzuführen und die Gitterstreben zu verstärken. Problemlos konnte Scott sich in der Dunkelheit auf einer Holzplattform hin und herbewegen, um seine Fallschirmleinen hinunterzulassen, damit das Sprengmaterial heraufgezogen werden konnte. Aufgrund der Form der Querstreben wurden die Halterungen mit den Sprengsätzen von McIntyre bereits eingepaßt. "Es lief wie geschmiert", erinnert sich Scott, "doch plötzlich gab es einen Höllenlärm. Im Schummerlicht sind wir über einen Haufen Muttern und Schrauben gestolpert, die die Deutschen dort liegengelassen hatten. Nun klirrten die Bolzen durch die Metallstreben wie ein mechanisches Glockenspiel, das außer Fug geraten ist. Wir verharrten wie erstarrt, und nachdem aus dem Wachhäuschen oberhalb keine Reaktion kam, krochen wir auf allen Vieren über das Holzgerüst, um es nach weiteren Schrauben abzusuchen. Aber im Mondlicht erkannten wir schließlich, daß die vielen schwarzen Punkte, die wir vorsichtig ertasteten, keine Metallteile, sondern nur Astlöcher in den Holzplanken waren!"

Doch dann geschah das, was den rüstigen 80-jährigen Ken Scott noch heute mit Angstschweiß aus dem Tiefschlaf reißen soll: "Die Brückenwache mußte irgend etwas gehört haben. Plötzlich wurde ein starker Scheinwerfer eingeschaltet. Harry und ich hingen gerade in den Gitterstreben, um die Sprengladungen anzubringen. Systematisch erfaßte der Scheinwerfer Pfeiler für Pfeiler, Gitterstrebe für Gitterstrebe. Ich fühlte mich wie vom Schlag getroffen. Hilflos erkannte ich, daß das Licht sich auf mich zubewegte. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis der Scheinwerfer die Strebe abtastete, an die ich mich gerade klammerte. Ich sah mein Ende gekommen und erwartete augenblicklich eine Maschinengewehrsalve. Der einzige Gedanke, der mich in jenem Moment durchzuckte, war, daß ich keine Waffe bei mir trug, um mich zu verteidigen. Aber wie durch ein Wunder führte der Brückenposten routinemäßig seinen Scheinwerfer auf die nächste Gitterstrebe. Er hat uns nicht gesehen!"

Gordon-Creed hatte den behenden Don Stott angewiesen, in der mondbeschienenen Felswand noch einmal auf das obere Plateau zu klettern, um von dort aus die erwartete Explosion zu verfolgen. Mutch und Khouri befanden sich bereits auf dem Rückweg, um ihr Lager aufzulösen. Er selber wachte am Fuß der Leiter, als er plötzlich ein Geräusch auf dem Pfad vernahm, der vom deutschen Wachhäuschen zum Fluß hinunterführte. Er konnte gerade noch Scott und McIntyre mit gepreßter Stimme anweisen, sich ruhig zu verhalten, als er in der Dunkelheit das schwankende Glimmen einer Zigarette auf sich zukommen sah.

Gordon-Creed hatte sich eben noch hinter dem Pfeiler verstecken können, als der ahnunglose Deutsche vorbeischlenderte. Mit aller Kraft hieb er mit seinem "cosh", seinem Holzknüppel, auf ihn ein. Ohne einen Laut von sich zu geben, brach der Deutsche zusammen, und der Brite stieß ihn mit den Füßen den Hang hinunter, so daß er von den Fluten des Asopos mitgerissen wurde. "Carry on", macht weiter, befahl er cool seinen verängstigten Kameraden, die wie scheue Tiere bewegungslos auf die mörderische Szene unter sich starrten (33).

Gordon-Creed, mit Tarnnamen Faith, schrieb in seinem Bericht vom 22. Juni an Eddy Myers militärisch knapp über sich selbst: "One strolling GERMAN was banged on the head and dropped over the cliff by FAITH (34)."

Es war Mitternacht. Die Sprengladungen und Zündschnüre waren befestigt worden. Gegen 00.20 Uhr durchbrach der übervorsichtige Scott die fünf Zündstifte, die er zur Sicherheit angebracht hatte, obwohl nur einer notwendig war. In etwa eineinhalb Stunden müßte die Säure den Draht durchgefressen haben, und eine Feder würde den Hammer auf eine Kapsel niederfahren und ihren Mantel zerbrechen lassen. Durch einen simplen chemisch-mechanischen Vorgang würde die Hölle in der AsoposSchlucht ausgelöst werden.

Die Männer hetzten durch die schwarze Schlucht, kraxelten den Baumstamm in der eiskalten Gebirgswasserdusche hinauf, durchschwammen tiefe Tümpel, die sich unter den Katarakten gebildet hatten und hantelten sich an den Fallschirmleinen hoch. Der bärenstarke Mutch, der bisher jeden mit seiner Urkraft in den Schatten gestellt hatte, erinnert sich: "What a mad struggle it was swimming and climbing ropes. While going up one rope ladder my arms gave out on me and I fell back about twentyfive feed and knocked myself out and got a bad knock on the shin. I came to about fifteen minutes later hearing Khouri calling to me from the tope in the darkness. After another couple of attempts I made it (35)."

Immer wieder verglichen die Männer ihre Uhren. Würden die feuchten Sprengsätze und Zünder funktionieren? Würden die Deutschen ihren Kameraden bereits suchen und dabei die Sprengladungen entdecken? Nach 1 3/4 Stunden war immer noch nichts zu vernehmen, außer dem Rauschen des Flusses. Immer wieder fragten sie sich, ob sie alles korrekt verdrahtet hatten. Die Minuten schienen plötzlich wie Stunden zu vergehen. Eine weitere Viertelstunde schlich wie eine Ewigkeit dahin. Doch dann, "zwei Stunden später, als wir bereits die schwersten Hindernisse bewältigt hatten, erleuchtete ein tagheller Blitz den Cañon, gefolgt von einer gewaltigen Explosion und einem ungeheuren Echo, das durch die Schlucht waberte. 'She's gone', schrie ich. Sie ist hinüber," erinnert sich Scott, als sei es gestern geschehen.

Zufrieden über ihr Nachtwerk reichten sich die Männer genau dort, wo sie sich gerade befanden, bewegt die Hände - mitten im eiskalten Wasser des Asopos, das ihnen bis zur Schulter reichte.

"Weasel" Don Stott traf gegen 6 Uhr morgens des 21. Juni bei Gardikaki mit Gordon-Creed zusammen und bedauerte, daß er nicht mit absoluter Sicherheit bestätigen könne, daß die Gelenkbogenbrücke tatsächlich zusammengestürzt sei. Er hätte zwar den grellen Explosionsblitz und donner vernommen, aber in dem schummrigen Mondlicht nur wahrnehmen können, wie aufgeregte Deutsche wie blinde Hühner aus der Wachstube herausrannten.

Ein junger griechischer Partisane, der vor dem Kriege als Zeichner gearbeitet hatte, wurde umgehend mit der Auflage in die Nähe der Brücke entsandt, als Schäfer verkleidet eine Zeichnung vom Viadukt zu erstellen. Er kehrte mit einem Fetzen Papier zurück, das Edmonds mit zittrigen Händen entfaltete. Zu seinem Schrecken erblickte er eine Zeichnung der Brücke, so wie sie vor der Sprengung ausgesehen hatte. "Stellt dieses Bild tatsächlich das dar, was du gesehen hast?", fragten die Briten verzweifelt. "O nein", antwortete der Grieche lachend: "Ich habe mich nur daran erinnert, wie sie mal ausgesehen hat. Die Brücke liegt unten in der Schlucht (36)."

Edmonds und Myers reichten ihre Empfehlungen für Auszeichnungen in Kairo ein. Besonders Don Stott, dieser "outstandingly gallant officer", wie Eddie Myers schrieb, sollte das Victoria Cross erhalten. Doch ihre Empfehlung wurde nach perverser Kriegslogik der Militärs in Kairo nicht befolgt, "da kein Schuß gefallen sei (37)". So reichte es "nur" zum "DSO (38)" für Draufgänger Stott, der sich nach der Asopos-Operation noch einmal durch eine bizarre Initiative ins Rampenlicht bringen sollte. Versteckt in der Entbindunsanstalt eines Athener Krankenhauses, suchte er über den Athener Bürgermeister Kontakt zu deutschen Militärs. Er verfolgte den absurden Vorschlag, "that Germany and the western Allies should end the war between themselves and unite in a crusade against the Soviet Union (39)".

Als SOE-Kairo von seinem hirnrissigen, nicht autorisierten Unterfangen Wind bekam, erhielt Stott den Befehl, Athen umgehend zu verlassen. Er ließ hingegen verlauten, daß er auf ein Flugzeug warte, das ihn nach Deutschland zu Verhandlungen mit Göring fliegen solle. Stott wurde schließlich von den Briten nach Kairo zurückgeschleust. "Don Quixote" wie man ihn später rief, ertrank kurz vor Kriegsende bei einem Kommandounternehmen im fernöstlichen Neu Guinea.

Diese eher belanglose Episode ist immerhin bezeichnend dafür, mit welcher Freizügigkeit und Macht blutjunge britische Verbindungsoffiziere in Griechenland agierten. Mit nahezu diktatorischen Vollmachten ausgestattet, handelten sie fernab jeder direkten Kontrolle durch Vorgesetzte und planten mit den Partisanen mörderische und militärisch oft sinnlose Überfälle. Und dies fast immer zum Nachteil der unschuldigen Dorfbewohner, die dafür mit dem entsetzlichen "Sühnetod" zu zahlen hatten. Aufgrund von oft vagen Versprechungen verteilten die Briten großzügig Waf-fen und Gerät an potentielle Andarten und dubiose Gestalten und erkauften sich Einfluß, indem sie mit Goldpfunden zahlten. Selbst gefangene deutsche oder italienische Soldaten ließen sie in brenzligen Situationen umbringen, um sich und ihre Mission nicht zu gefährden (40)."
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d. Hitlers Reaktionen und Churchills fröhliches Kichern
Doch wurde nicht fachgerecht gearbeitet", konstatierte...Beide, Edmonds und Myers, verbreiteten nach dem Kriege die Mär, "daß aufgrund von Sabotage die gesamte Wachmannschaft einschließlich des wachhabenden Offiziers erschossen worden sei (41)". Vermutlich beziehen sie sich auf die "Chefbesprechung" vom 24. Juni (42):

Zwar hatte der "Führer" ein "kriegsgerichtliches Verfahren" angeordnet, aber die Ermittlungen verliefen im Sande, und mit Sicherheit wurde niemand der Wachhabenden erschossen (43). Hingegen hegte Hitler "die Besorgnis einer Feindlandung an der Westküste, im Gebiet nördlich des Golfes von Patras" (44):

Die Erfolge der "Operation Animals" zeigten also ihre Früchte. Am 5. Juli wurde dem Oberbefehlshaber bei seinem Vortrag beim "Führer" zugesagt, daß "an Verstärkungen und für den Schutz der rückwärtigen Verbindungen (Bahnschutz) und Bandenbekämpfung" noch zugeführt werden (45):

Um während der Bauzeit den Nachschub recht und schlecht aufrecht zu erhalten, waren LKW- und Mauleselkonvois auf der Schotterpiste über das Gebirge zwischen Lianokladi und Gravia eingerichtet worden, die durch Seetransporte ab Stylis und den Bau einer Seilbahn nebst einer Rohrleitung entlang der Unfallstelle unterstützt wurden. Landser, die ihren Urlaub in jenen Wochen in Griechenland verbrachten, erinnern sich, daß die Züge sie bis an die Unfallstelle heranfuhren. Während ihr Gepäck mittels der Seilbahn transportiert wurde, mußten sie mühselig die Schlucht umgehen, um anschließend ihre Reise fortsetzen zu können.

Mehr als eintausend deutsche Wehrmachtsangehörige, insgesamt vier Pioniereinheiten (46) unter der Bauleitung des II. Stabes des Eisenbahn-Pionier-Regimentes 6 mit jeweils 250 Mann und zusätzlichen griechischen Hilfswilligen ("Hiwis"), malochten rund um die Uhr im Schichtbetrieb. Durch die Sprengung war die Bogenbrücke zwar nicht in die 80 Meter tiefe Klamm gestürzt, sondern nur wenige Meter tief auf einen Felsvorsprung abgesackt, aber für den Wiederaufbau war sie unbrauchbar geworden. Sie wurde gesprengt, und da es nicht möglich war, die 100 Meter Weite mit einem einzigen Überbau zu überspannen, wurde jeweils ein neues Brückenteil von Süden und Norden vorgebaut und mittels Ballastträgern, einem österreichischem "Roth-Waagner-Gerät" (RW), auf zwei neu errichtete Stahl bzw. Betonpfeiler abgesenkt. Während der Betonpfeiler neben dem alten Natursteinpfeiler errichtet wurde, wurde der aus RW-Gerät hergestellte Stahlpfeiler auf einen schmalen Felsvorsprung gestellt, den das Gelände am Nordhang bildet, bevor es in das Flußbett abfällt. Vom nördlichen Widerlager bis zum RW-Pfeiler erhielt die neue Brücke nun die Spannweite von 23,50 Metern, vom RW-Pfeiler bis zum Betonpfeiler von 69,50 Metern und von diesem zum bestehenden Natursteinpfeiler von 6,50 Metern.

Brennecke stellte mit Genugtuung fest, wie auf der gegenüberliegenden nördlichen Seite die Tagschicht die letzten Vorbereitungen traf, um den letzten, aber weitaus längsten Brückenteil auf das Widerlager abzusenken. Äußerst vorsichtig mußten dabei die zwei Meter hohen Holzstapel zwischen den hydraulischen Hebern und Pfeilern abgestapelt werden. Mit größter Aufmerksamkeit mußte zu Werk gegangen werden, denn bereits geringste Verwindungen konnten den etwa 70 Meter langen, vier Meter breiten und sechs Meter hohen Stahlkoloß außer Kontrolle geraten lassen.

Plötzlich wurde Brennecke unruhig. Kritisch beobachtete er die Arbeiten auf der gegenüberliegenden Seite. Ihm gefiel nicht, wie "schnell und anscheinend sorglos die Arbeiter beim Absenken die Kanthölzer unter der hydraulischen Presse entfernten (47)". Aber er behielt seine Eindrücke für sich. Schließlich war er für den nördlichen Teil nicht verantwortlich, seine Meinung war nicht gefragt, "denn die da drüben mußten ja wissen, was sie taten", und die beiden Bautrupps waren ohnehin seit Wochen über die Schlucht wie durch zwei Welten voneinander getrennt gewesen.

Doch da wurde nicht fachgerecht gearbeitet", konstatiert Brennecke heute und gestikuliert emphatisch. Er erinnert sich an jedes Detail der drohenden Katastrophe. "Man hat ja manchmal einen lichten Moment." Als Bauleiter der Brückensüdseite hatte er das Entfernen der Kanthölzer erheblich vorsichtiger bewerkstelligen lassen, als er "sein" Brückenteil auf die Lager absenken ließ. "Ich fühlte, daß da Spannungen in der Brücke waren. Das erschien mir zu gefährlich, und ich zog sicherheitshalber meine Leute gegen 10 Uhr vormittags ab."

Gegen Mittag war das Eisen von der unerbittlichen, hochsommerlichen Sonneneinstrahlung in dieser windstillen Schlucht so heiß geworden, daß man es nicht mehr ohne Handschuhe anfassen konnte. "Ich bin mir sicher, daß die westliche Presse beim nördlichen Absenken nicht einwandfrei gearbeitet hat. Die ist einfach weggerutscht, vermutlich aufgrund undichter Manschetten. Und durch die Sonneneinstrahlung war die östliche Seite der gesamten Stahlkonstruktion wesentlich stärker erhitzt als die westliche. Trotz der flexiblen Verschraubungen trugen die Temperaturunterschiede dazu bei, daß sich der gesamte Überbau um die eigene Achse drehte. Als weitere Unglücksursache kam vermutlich hinzu, daß die Kanthölzer feucht waren und nicht sachgemäß abgestapelt wurden."

"Mensch, die Brücke fällt um", erinnert sich Brennecke noch geschrien zu haben, kurz nachdem er seinen Männern in weiser Erahnung der aufziehenden Katastrophe den Befehl erteilt hatte, die Brücke zu verlassen. Auf dem alten Natursteinpfeiler mußten sie tatenlos und wie ohnmächtig mitverfolgen, wie es erst leise knirschte und dann krachte, wie sich das nördliche Brückenteil langsam zur Seite bewegte, und dann plötzlich das Arbeitskommando wie Spielbälle von dem Vorbaukran und der Brücke geschleudert und schreiend in den sicheren Tod gerissen wurde - Schreie, von denen Brennecke noch heute aus dem Schlaf gerissen wird. Krachend stürzte der Brückenkoloß dabei in die tiefe Schlucht. Drei seiner Männer, die sich noch auf der Brücke befanden, sprangen geistesgegenwärtig in den tiefer liegenden Hang und überlebten trotz schwerer Verletzungen wie durch ein Wunder.

Dieses Glück war Major Sieber (Eisenbahnpionierregiment (mot) 6), dem verantwortlichen Gesamtleiter des Projektes, und vierzig deutschen Soldaten und griechischen "Hiwis (48) " nicht vergönnt. "Sieber wurde durch herabstürzende Holzscheite in der Talsohle erschlagen. Schwerverletzte hingen eingeklemmt in der Stahlkonstruktion und schrien um Hilfe. Wir brauchten eine endlos lange Zeit, um in die Schlucht zu gelangen, um die Verletzten zu bergen", graust es heute noch Brennecke.

Seine verunglückten Kameraden wurden mit allen militärischen Ehren auf dem Friedhof in Lamia beigesetzt. Und mit den Aufräumarbeiten der störenden Trümmer und dem neuerlichen Aufbau der Brücke wurde bereits am nächsten Tag begonnen. "Sobald dann ein Hammer fiel oder nur eine Schraube in der Stahlkonstruktion klirrte, ohne gesichert zu sein, da zuckte man zusammen über der 80 Meter hohen Schlucht", sagt Brennecke. "Da überfiel einen die Angst, daß sie wieder zusammenstürzen würde. Die seelische Belastung wurde unerträglich."

Erst gegen Mitte August erfuhr Eddie Myers in seinem Hauptquartier im fernen Avlaki von dem Unfall und frohlockte: "With delight we learnt a week ago that one of the piers had collapsed, causing the demise of several Germans and retarding the re-opening of the line (49)."

Doch in einem Kraftaufwand sondergleichen wurde in Sondertransporten ein neues RW- Gerät aus Österreich angeliefert und ein neuer Überbau konnte bereits nach drei Wochen fertiggestellt und problemlos auf die Widerlager abgesenkt werden. Nach einer pompösen Einweihungszeremonie in Gegenwart hoher italienischer und deutscher Militärs rollte der erste Zug am 27. August wieder über die Gebirgsbrücke.
er der alten RW- Brücke.

Doch hiermit fand das Kriegsschicksal der Asopos-Brücke noch keinen Abschluß. In Anbetracht der ungeheuren Schwierigkeiten beim Bau der Ersatzbrücke, und da stets mit einem neuerlichen Anschlag gerechnet werden mußte, wurden zusätzliche Sicherungsmaßnahmen beschlossen, die den Schaden bei einem geglückten zweiten Anschlag auf ein Mindestmaß beschränken sollte. Ein weiterer Betonpfeiler im Abstand von 29.5 Metern zum südlichen Betonpfeiler sollte bis knapp unter die Brücke hochgeführt werden, ohne die Brücke selbst zu unterstützten. Vermessungen ergaben, daß der Pfeiler zur Hälfte bis auf den Grund der Schlucht geführt werden mußte und dort eine Höhe von 72 Metern erhalten würde, zur anderen Hälfte bis auf 20 Meter über der Schluchtsohle an die schräg einschneidende westliche Schluchtwand anbetoniert werden mußte. Erst im Falle einer Zerstörung sollte sich der Überbau auf den Pfeiler absetzen, und damit ein Absturz in die Schlucht verhindert werden.

Die ersten Vermessungs- und Entwurfsarbeiten führte der Stab II/Eisb. Pi. Rgt. (mot) 6 unter Führung von Hauptmann d.R. Zöll durch, und die Baudurchführung erfolgte durch das 8./Eisb. Pi. Rgt. (mot) 6 unter Oblt. d. R. Kunz. Der bereits beim Bau der Asopos-Brücke mit eingesetzte Pi. Masch. Zug II./6 unter Führung von Oblt. d. R. Eisele, später Oblt. Sutter, wurden zur Unterstützung der Kompanie weiterhin belassen. Dieser Zug hatte seinen Sitz zwischen Lianokladi und Lamia, da eine Aufstellung seiner umfangreichen Maschinen im Berggelände um Asopos unmöglich war. Hinzu kamen 20 Betonfachleute aus verschiedenen Eisen-bahnpionierkompanien und ein Seilbahnkommando.

Nachdem das 8./Eisb. Pi. Rgt. (mot) 6 aus Kroation kommend in Lianokladi eingetroffen war, begannen die Arbeiten am 11. September 1943. Neben den über die Berge und damit durch "Bandengebiet" führenden Saumpfaden bestand mit der Außenwelt nur über den Schienenstrang Verbindung. Die Benützung der Saumpfade war aufgrund der Partisanentätigkeit ohnehin verboten. So wurden aus Straßen-LKWs Schienen-LKWs, um die Gütertransporte zu bewältigen. Eine 450 Meter lange Seilbahn wurde gebaut, welche das gesamte Material für die weitere Baustelleneinrichtung auf den Bergrücken beförderte. Neben dem Bau des Pfeilers hatte die Kompanie noch die Aufgabe, die Trümmer der in die Schlucht abgestürzten 1. RW-Brücke zwecks Verschrottung zu bergen. Dafür wurde ein Derrick mit 3 Tonnen Tragkraft konstruiert, der ebenfalls für den Pfeilerbau genutzt wurde.

Die eigentlichen Bauarbeiten zogen sich von September 1943 bis zum 10. März 1944 unter größten Schwierigkeiten hin. Eine künstliche Staumauer mußte erstellt werden, da selbst große Steine an der Fundamentstelle vom Wasser mühelos weggerissen wurden. Im November wurde die Kompanie für kurze Zeit in die Tempischlucht nördlich von Domokos abberufen, "wo eine hohe Stützmauer von Banditen (50)" gesprengt wurde. Als die Arbeiten in Asopos Mitte des Monats wieder aufgenommen wurden, führte der Fluß zwei Meter Hochwasser, das alle Gerüste weggerissen hatte. Immer wieder kam es zu gefährlichen Felsabbrüchen, die die Arbeiten erheblich verzögerten, obwohl wiederum in drei Schichten gearbeitet wurde. Im Januar 44 beeinträchtigte Frost das Betonieren und machte es notwendig, eine zwei Kilometer lange freiliegende Wasserrohrleitung einzugraben. Probleme gab es mit der Anlieferung von Kies, bis eine verlassene Kiesgrube im 30 km entfernten Parnassosgebirge entdeckt wurde. Die Grube wurde neu erschlossen, und internierte Italiener mußten den Transport übernehmen.

Das Holz zur Verschalung des Pfeilers wurde aus dem Sägewerk in Makrakomi angeliefert. Als Leutnant Marquardt von der Eisb. Pi. Kp. 95 mit seinen Kameraden von einer Fahrt zu diesem Sägewerk am 17. November 1943 nicht mehr zurückkam, wurde sofort eine umfangreiche Suchaktion der Kompanie anberaumt. Sie blieb jedoch ergebnislos. Nach Wochen konnten zwei internierte Italiener der Gefangenschaft der "Banditen" entkommen und bestätigten den Tod der Deutschen.

Ende Februar 1944 erhielt Kunzes Kompanie den Befehl zur Verlegung an die Westfront. "Leider war es der Kompanie nicht mehr vergönnt, den Pfeiler auch selbst noch fertig auszuschalen und ihn in seiner kühnen Schlankheit zu sehen", schrieb Kunz in seinem penibel geführten, 37-seitigen Abschlußbericht. Zusätzlich erstellte er eine umfangreiche Hochglanzfotodokumentation mit sauberen Detailzeichnungen und Berechnungen der geleisteten Arbeitsstunden nebst umfangreichen technischen Daten. Den akribisch ausgearbeiteten Bericht beendete er am 25. März 1945, nur sechs Wochen vor der Apokalypse. Als wenn es für Kunz zu diesem Zeitpunkt nichts Wichtigeres zu tun gegeben hätte...

Doch Kunzes Kompanie war bereits nach Westen verlegt worden, als sich die Wehrmacht im Herbst 1944 aus Griechenland zurückzog. Eine Minenkammer nebst "einem kleinen Munitionsbunker" hatte der Soldat Kunz in den Pfeilerfuß einbauen müssen. Und als pflichtbewußter Ingenieur legte er den Zugang zur Minenkammer so, "daß er auch erreichbar ist, wenn die Schlucht mit Hochwasser gefüllt ist".

Ob nun Hochwasser oder Niedrigwasser, deutsche Pioniere taten das, was ihnen befohlen ward: Beim Rückzug aus Griechenland sprengten sie erneut die Brücke. Erst nach dem Kriege wurde sie in ihrer jetzigen Form wiederaufgebaut.
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Fussnoten
0(1) Special Operations Executive
0(2) Von den Deutschen Thermopylen-Pass genannt,
0(2) da hier der Spartaner Leonidas gegen die Perser gekämpft hatte
0(3) BA-MA Freiburg: RH 20-
0(4) Über die Zerstörung der Gorgopotamos- Brücke und deren Folgen siehe:
0(4) H. F. Meyer, Vermißt in Griechenland (Berlin: Verlag Frieling, 1992)
0(5) E.C.W. Myers, Greek Entaglement (London: Alan Sutton, 1985), p. 170
0(6) Ellinikos Laikos Apelevtherotikos Stratos (Griechisches Volksbefreiungs-Heer)
0(7) Interview mit Myers und Edmonds im März 1990
0(8) Myers, op. cit., p. 171
0(9) Ethniko Apelevtherotiko Metopo (Nationale Befreiungsfront),
0(9) die politische Dachorganisation der kommunistischen ELAS
(10) Myers, op. cit., p. 175
(11) Ibidem, p. 177
(12) Major-General Stefanos Sarafis, ELAS: Greek Resistance Army (London: Merlin Press, 1980), p. 112
(13) A. Edmonds, unveröffentlichtes Buchmanuskript, p. 98. Kopie im Archiv des Verfassers
(14) Interview A. Edmonds im März 1990
(15) Interview Ken Scott im April 1997
(16) Viermotoriger amerikanischer Langstreckenbomber
(17) Edmonds, op. cit., p. 99
(18) Ibidem, p. 99 und Interview 3/90
(19) Hagen Fleischer, Im Kreuzschatten der Mächte ( Frankfurt: Verlag Peter Lang), p. 214
(20) BA-MA Freiburg: RW 40/166, Tagebuch Befehlshaber Saloniki Ägäis, Juni l943
(21) Oberkommando der Wehrmacht
(22) Sarafis, op. cit., p. 124
(23) Edmonds, op. cit., p. 101
(24) Interview mit Spyros Bekios im November 1989
(25) Interview mit Myers im März 1990
(26) Myers, op. cit., p. 202
(27) Interview mit Myers im März 1990
(28) Edmonds, op. cit., p. 101
(29) Interview mit Edmonds im März 1990
(30) Fleischer, op. cit., p. 217
(31) Edmonds, op. cit., p. 103
(32) Interview mit Ken Scott im März 1997
(33) Edmonds, op. cit., p. 104
(34) Myers' files; Liddell Hart Centre for Military Archives, King's College, London
(35) M. B. McGlynn: "New Zealand in the Second World War,
(35) War History Branch, Wellington, New Zealand 1953", p. 28
(36) E. Myers: "The destruction of the Asopos Viaduct." The Royal Engineers Journal, 1981, p. 159
(37) Ibidem, p. 120.
(38) Distinguished Service Order
(39) C.M. Woodhouse, Something Ventured, (London: Granada Publishing, 1982), p. 75
(40) Meyer, op. cit., p. 109 und 350
(41) Ibidem und Interviews mit Myers und Edmonds 3/90
(42) BA-MA Freiburg: RH 19 V II, Kriegstabebuch 24.6.43
(43) Übereinstimmende Aussagen der ehemaligen Pioniere Heitkamp,
(43) Johnsdorf und Lehr. Interviews 1996 und 1997.
(44) BA-MA Freiburg: RH 19VII, Kriegstagebuch KTB Nr. 52/43 vom 5.7.43
(45) Ibidem
(46) 5. und 7. Eisenbahn-Pionier-Regiment 6, Eisenbahn-Pionier-
(46) Kompanien 63 unter Hauptmann Heitkamp und 81 unter Hauptmann Freymark,
(46) Pionier-Masch.-Zug II/Eisb. Pi. Rgt. 6 und Gr. Eisb.-Pionier-Kraftwagen-Kol. 638
(47) Interview mit Brennecke 11/96
(48) Hilfswillige
(49) E. Myers, "The destruction of the Asopos Viaduct", p. 159.
(50) Pioniermuseum der Eisenbahner, München: Bericht des Oberbaudirektors a.D. Ernst Kunz, p. 3




























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